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50 Jahre Kanonenpass

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Röthelmoos: Am Samstag, den 27.07.2024 gab es die Anekdote um die Namensfindung des Kanonenpasses noch einmal in ganzer Schönheit, lebendig in Erinnerung gerufen vom damaligen Schützenmeister Helmut Müller. Wo? Dort oben nahe dem 951 Meter hohen Übergang über den Sattel des Jochberges am Taferl des Kanonenpasses. Mit dabei die Kanone, die am 14. Juli 1974 den Namen für den Übergang vom Röthelmoos nach Oberwössen gab, und eine große Anzahl an Schützen, Marketenderinnen und Freunden der Königlich Privilegierten Feuerschützengesellschaft Ruhpolding und der Gebirgsschützenkompanie Wössen/Achental.

Warum? Auch das ist eine schöne Geschichte. Der Ruhpoldinger Schützenmeister Florian Wimmer erinnerte in seiner Begrüßung, dass vor gerade 50 Jahren die Ruhpoldinger Feuerschützen das denkwürdige Taferl des Kanonenpasses mit der Kurzbeschreibung der Anekdote dort am 26. Juli 1974 aufstellten. Besonders würdigte Florian Wimmer den neben ihm sitzenden Heinz Steinbeißer, inzwischen 90 Jahre alt, der den ausdrucksstarken Bildstock damals geschnitzt hatte. Vor gut zwei Jahren wandte sich Georg Haslberger, Hauptmann der Gebirgsschützenkompanie Wössen/Achental an Florian Wimmer, ob die Gebirgsschützen gemäß ihrem Satzungsauftrag zur Erhaltung historischer Kapellen und Gedenktafeln, das Kanonenpass-Taferl sanieren dürfen. Die Feuerschützen aus dem Nachbartal stimmten gerne zu. Die Gebirgsschützen Helmut Brandl und Sohn Andreas Brandl, Maler und Kirchenmaler, nahmen sich der Aufgabe an. Sie entfernten im Ehrenamt marode Holzteile und bürsteten das alte Holz und die Schnitzereien in mehreren Arbeitsgängen. Mit neuem Schutzdach versehen und frisch nachgezeichneter Schrift erzählt es seit zwei Jahren wieder die Geschichte des Kanonentransportes über den besagten Pass.

Das bescherte den Wössner Gebirgsschützen die Einladung zum 50-jährigen Bestehen des Taferls. Der Ruhpoldinger Pastoralreferent Georg Gruber fand in einer kleinen Andacht – eingerahmt von den Liedern „Lobe den Herren“ und „Großer Gott, wir loben dich“ – die passenden Worte: Bergübergänge seien sensible Orte. Die Einheimischen schmücken sie oft mit Namen von Heiligen, wie dem Sankt Bernhard oder Sankt Gotthard. Der Übergang zur Röthelmoosalm sei kein großer Alpenübergang, doch ein wichtiger Übergang für die Oberwössner Bauern zu ihren damaligen Kasern – 25 an der Zahl – im Röthelmoos. Übergänge seien sensible Orte, an denen die Menschen eigentlich immer schon Zeichen hinterlassen hätten. Sie seien Ausdruck des Moments, den Aufstieg geschafft zu haben, des Moments, den Blick nach vorne zu richten. Ähnlich sensibel seien die Übergänge, die im Laufe eines Lebens auf den Menschen warten. Nicht umsonst knüpfen die kirchlichen Sakramente immer an diese Lebensübergänge an. Pastoralreferent Gruber las Jesu erste Abschiedsrede aus dem Evangelium des Johannes 14. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ „Wenn wir Gott folgen, dann sind wir auf dem richtigen Weg und können unsere Übergänge meistern.“ Im erbetenen Segen bezog Gruber alle die ein, die in Freizeit oder Beruf diesen Übergang nutzen.

Und dann tauchte Helmut Müller in einer überaus lebendigen und humorvollen Darstellung in die Ereignisse um den 14. Juli 1974 ein, wie er sie damals erlebte: Weit vor dem Tag hatten die Ruhpoldinger Feuerschützen eine Einladung zur Wiedergründungsfeier der Wössner Gebirgsschützenkompanie erhalten und zugesagt. Müller erinnerte an die enge Verbindung der Ruhpoldinger zu den Oberwössner Bauern mit ihren Kasern im Röthelmoos. „Oberwössner, Unterwössner, Ruhpoldinger, das sind alle mir!“ Nah zum Termin erhielten die Feuerschützen dann aber eine weitere Einladung zum 50-jährigen Bestehen der Sanitätskolonne und deren Festgottesdienst am selben Sonntagmorgen. Eine Lösung musste her. Der Schützenkamerad Hans Igel, Jäger von Chieming, erhielt den Auftrag, die Fahrzeiten vom Ruhpoldinger Rathaus nach Unterwössen zu ermitteln. 34 Minuten, stellte der in zwei Tests fest.

Das passte, freuten sich die Feuerschützen über die Lösung. Um elf nach der Messe in Ruhpolding galt es, die Kanone schnell zu verladen und über den Sattel zwischen dem Röthelmoos und Oberwössen zu fahren.

Nach dem Gottesdienst schnell angepackt und auf ging´s. Die Fahrt ins Röthelmoos verlief zufriedenstellend, doch dann der Anstieg von der Langerbauernalm zum Sattel. Zwei Fahrzeuge waren unterwegs. Das erste ein VW-Bulli, der Fahrer mit zwei Schützen auf der ersten Bank, dahinter auf der zweiten Bank der großen Kabine drei weitere Schützen, alle die Karabiner zwischen den Beinen. Die mächtige Kanone war auf der kurzen Pritsche des nach heutigem Standard niedrig motorisierten Fahrzeuges festgezurrt. In einem Lieferwagen folgten weitere Schützen. Steiler und steiler ging es hinauf, langsamer und langsamer wurde der VW. „Der fing schon das Schnappen an“, so Müller, als Beschreibung für den Umstand, dass sich immer wieder die Vorderachse des Fahrzeuges vom Weg abhob. Er sei herausgesprungen, habe sich vorn aufgestellt, um das zu verhindern. Doch schließlich sei es nicht mehr weiter gegangen.

Kurz beratschlagten sich die Schützen, die Zeit drängte. Dann spannten sich Schützen an die Seile, die an der Radnabe der Kanone befestigt sind. Der Lieferwagen, der nun die vordere Position einnahm, zog den VW an. Die Fahrzeugräder griffen, der VW nahm Fahrt auf. „Jetzt bloß nicht hängenbleiben“, gab der Fahrer Gas, die Schützen an den Kanonenseilen fast im Laufschritt daneben. Endlich oben das Flachstück. Rechts und links fielen die Ersten von ihnen ausgepumpt in den Graben.

Die Abfahrt nach Oberwössen habe einer Bobfahrt geglichen, beschreibt Müller, um Zeit aufzuholen. Hier und da seien Flurschäden zurückgeblieben.

Und tatsächlich. Die Ruhpoldinger erreichten den Wiedergründungsfestzug und konnten sich einreihen, „Die letzten 50 Meter bis ins Festzelt sind wir mitmarschiert.“ „Tat nichts zur Sache“, so Müller. „Zu erkennen waren wir längst nicht mehr.“ Die ein Jahr zuvor angeschafften wunderbaren Monturen völlig verdreckt, Dreck in den Gesichtern bis zu Unkenntlichkeit. Das Bier habe umso mehr geschmeckt.

Die Anekdote verbreitete sich damals wie ein Lauffeuer. Groß die Überraschung bei den Feuerschützen, als die Wegstrecke schon ein Jahr später in offiziellen Bundeswehrkarten als „Kanonenpass“ kartiert war.

Ludwig Flug (freier Journalist) / Josef Karl Reiter (Ruhpoldinger Schützen)

Das Erinnerungstaferl, geschnitzt von Heinz Steinbeißer, wieder hergerichtet von den Wössner Gebirgsschützen
Unsere Kanone Charlotte nach 50 Jahren wieder am Pass; der Transport klappte diesmal reibungslos!
Und unser Steinbeißer Heinz ist mit seinen 90 Jahren auch nochmal dabei
Pastoralreferent Georg Gruber sorgte mit treffenden Vergleichen für die religiöse Komponente zur Kanonenpass-Gedenkfeier
Ehrenschützenmeister Helmut Müller erzählt plastisch die alte Geschichte vom Kanonentransport
Ruhpoldinger und Wössner Schützen in schönster Eintracht; die Fortsetzung gab es über mehrere Stunden beim Langerbauern Kaser
Und zum Abschluss nochmal unsere „Hauptdarstellerin Charlotte“

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